Einführung in das aquatropolitanische Rechtssystem

[Harvey Dent]

Vorlesung am Lehrstuhl für aquatropolitanisches Recht (Fakultät II)

[Harvey Dent]

Werte Damen und Herren,

ich begrüße sie zur Vorlesung „Einführung in das aquatropolitanische Rechtssystem“. Ich möchte sie bitten, mit eventuellen Fragen bis nach der Vorlesung zu warten.

wartet einen Moment bis Ruhe eingekehrt ist.

Wie ihnen allen sicher bewusst ist, unterscheidet sich das hiesige Rechtssystem stark von dem in anderen Ländern.
Zum einen haben wir kaum geschriebene Gesetze, lediglich die Verfassung, einige Verordnungen und wenige Grundsatzurteile, auf die sich ein Jurist beziehen könnte. Das ist ein starker Kontrast zu dem endlosen zitieren und wiederkäuen von Gesetzestexten, wie es in anderen Ländern Gang und Gebe ist.
Zum anderen ist im Seereich niemand gezwungen, im Falle eines Konflikts vor den Friedensrichter zu treten und alles per Gerichtsverfahren zu klären. Andere, kreative Wege einen Konflikt zu klären, sind im Seereich genauso legitim wie ein Urteilsspruch.

[Harvey Dent]

Lassen sie mich nun zunächst näher auf die Abwesenheit riesiger Gesetzestexte eingehen. Als Basis für die aquatropolitanische Rechtsprechung können offensichtlich nicht nur die wenigen Gesetzte in geschriebener Form dienen. Vielmehr gibt es in unserer Gesellschaft ein stilles Verständnis für Recht und Unrecht, auch wenn es sich von dem in anderen Ländern der Welt unterscheidet, ist es doch vorhanden. Aus diesem allgemeinen Verständnis ergeben sich die so genannten ungeschriebenen Regel, von denen sie beim Studium des Rechtswesens von Aquatropolis sicher schon gehört haben. Natürlich ist es unmöglich, für ungeschriebene Regeln eine genaue Definition zu finden, also werde ich hier nur meine Ansichten zu diesem Thema präsentieren.
Die ungeschriebenen Regeln kann man verstehen als die zu einem Zeitpunkt innerhalb der Gesellschaft vorherrschenden Ansichten über Recht und Unrecht. Diese Ansichten werden sich mit der Zeit verändern und so sind auch die ungeschriebenen Regeln ständig im Wandel. Allerdings gibt es und gab es immer zwei Eckpfeiler der aquatropolitanischen Gesellschaft, die sich stark auf das Rechtsempfinden auswirken:
Weltherrschaft und Freiheit.
Es ist unbestritten, ja sogar aus sich selbst heraus bewiesen, dass die Herrschaft über die Welt dem Seereich zusteht. Die Vision von der Umsetzung dieses Anspruchs ist es, was unsere Gesellschaft zusammenhält. Und solange sich ein Bürger diesem Ziel verschreibt und das Seereich nicht dabei behindert, solange genießt auch jeder Bürger des Seereiches enorme Freiheiten, mehr sogar als die Bürger in vielen Demokratien. Im Umkehrschluss ist aber die Behinderung dieser Ziele das schwerste Vergehen, welches man in Aquatropolis begehen kann. Behalten sie dies immer im Gedächtnis.
Doch im Rahmen dieser beiden Grundsätze kann sich das Rechtsempfinden innerhalb des Seereichs stark verändern.

[Harvey Dent]

Die Hauptaufgabe eines Juristen im Seereich und insbesondere des Friedensrichters ist es nun ein genaues Gespür für die Gesellschaft, die vorherrschenden Ansichten bzw. die ungeschrieben Regeln zu haben. Man muss in der Lage sein zu erkennen, was von der Mehrheit der Bürger als rechtmäßig anerkannt werden wird, wenn man ein Urteil fällt. Wird es nicht anerkannt, so wird man auch kein Urteil und keine Strafe tatsächlich umsetzen können.
Man könnte nun argumentieren, dass in unserer Staatsform, die schon immer eine Diktatur war, der Herrscher Urteile des Friedensrichters einfach ausheben kann und so eigentlich der Wille des Herrschers maßgebend für die Rechtsprechung ist. Oberflächlich mag dies stimmen, aber bedenken sie folgendes: Ein Herrscher, dessen Handlungen vom Rechtsempfinden seiner Bürger abweicht, also ein Herrscher, der gegen die ungeschriebenen Regeln verstößt, wird sich im Seereich nicht lange halten können. Aquatropolitaner folgen einem Anführer nur, solange sie ihn für geeignet halten und ihm vertrauen und keinen Schritt weiter.

Betrachten wir nun noch einmal die zweite Besonderheit unseres Rechtssystems. Es existiert kein Zwang, zur Lösung eines Konflikts juristische Mittel zu bemühen. Die Möglichkeit vor Gericht zu ziehen ist quasi nur ein Angebot. Nur wenn ein Friedensrichter seinen Job gut macht und sich die Bürger darauf verlassen können, dass eine gemäß der ungeschriebenen Regeln und der Verfassung vernünftige Entscheidung getroffen wird, werden sie dieses Angebot auch wahrnehmen. Und ein Angebot, das von niemandem wahrgenommen wird, ist nutzlos.
Der Friedensrichter trägt somit die Verantwortung für den Nutzen des Gerichtshofes für die Gesellschaft.
Aus diesem Grund ist es auch sinnvoll, dass das Amt des Friedensrichters im Gegensatz so sonstiger Tradition im Seereich ein Wahlamt ist. Ein unfähiger Friedensrichter kann auf diese Art schnell abgesetzt werden.

[Harvey Dent]

Lassen sie mich abschließend noch kurz auf das Thema „internationales Recht“ zu sprechen kommen. Es wird vorkommen das sich Juristen, besonders aus dem Ausland, auf internationale Verträge und Konventionen beziehen. Kurz gesagt: Es gibt kein internationales Recht außer aquatropolitanischem Recht.
Dies ist die Konsequenz aus der Rechtmäßigkeit unseres Weltherrschaftsanspruchs. Wenn ein internationales Abkommen, ein Gesetz oder eine Konvention nicht von Aquatropolis eingeführt oder zumindest anerkannt wurde, so ist es für die Rechtsprechung im Seereich und damit die Rechtsprechung auf der gesamten Welt irrelevant.

Ich danke ihnen für ihre Aufmerksamkeit und hoffe ich konnte ihnen einige Denkanstöße über die Besonderheiten unseres Rechtssystems liefern.

Wirft einen eindringlichen Blick in den Hörsaal.

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